Das heutige Mariengymnasium wurde 1573 von der Regentin Maria von Jever als Lateinschule gegründet.
Die „Leges Generales Novae Scholae Ieverensis“ von 1573 verfügten (in Übersetzung) über die Lehrer: „Passende Schriftsteller, lateinische und griechische, sollen sie vorlegen und erklären.“ Über eine Büchersammlung erfahren wir bis ins 18. Jahrhundert hinein indes nur wenig, aber sicherlich hat es sie an einer Schule lutherischer Herkunft im Zeitalter des Humanismus gegeben.
Aus der Epoche der Aufklärung stammt die erste erhaltene Bücherliste. In der Ägide von Rektor Hermann Friedrich Hollmann (1753-1825, Rektor ab 1792) nahm der Gedanke einer Schulbibliothek als gleichzeitig öffentliche Büchersammlung langsam Gestalt an.
Hier die weitere Entwicklung in groben Zügen.
- Als Geburtshelfer der Bibliothek gilt der Reformpädagoge Christian Heinrich Wolke (1741-1825). Er schenkte 1802 seiner ehemaligen Schule über 200 Bände „für die hoffentlich bald entstehende Bibliothek der Jeverschen Provinzialschule“.
- 1819 ordnete Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg (1755-1829) „die Vereinigung der öffentlichen Büchersammlung in Jever“ in den Räumen des Schulgebäudes an. Gemeint waren hiermit die Bibliotheken von Remmer von Seediek (gest. 1557) und von Johann Ludwig von Anhalt-Zerbst (1688-1746). Diese waren unzugänglich und in schlechtem Zustand in einem Nebengebäude des Schlosses von Jever gelagert.
- 1853 waren die mit einer solchen Bibliotheksgründung verbundenen, arbeitsintensiven Vorarbeiten mit der Publikation des ersten Benutzungsreglements beendet. Die Bibliothek im damaligen Schulgebäude an der Drostenstraße war räumlich stark eingeschränkt.
- Die öffentlich zugängliche Schulbibliothek bekam in den Jahrzehnten danach mehrfach wertvolle Schenkungen von mit der Region verbundenen Sammler-Persönlichkeiten. Solche Zuwächse und das kräftig angestiegene eigene Ankaufsvolumen begründeten ihren Ruf als „Landesbibliothek des Jeverlands“.
- Vor der Jahrhundertwende entstand die bis heute andauernde Tradition der Lehrerbibliothekare am Mariengymnasium, die neben ihrer Unterrichtsverpflichtung und der Einarbeitung der Neuanschaffungen das anvertraute Büchererbe ordnen und wissenschaftlich vermitteln.
- 1900 erhielt – im Neubau des Mariengymnasiums gegenüber vom Schloss – die Bibliothek einen extra konzipierten, großen Raum. Aber auch dieser wurde bald zu eng.
- Im Nationalsozialismus kamen Bücher demokratischer und jüdischer Schriftsteller und von Autoren der feindlichen Staaten zur Aussonderung; jedoch war ihre Anzahl wegen der schon längeren völkischen Ausrichtung des Kollegiums relativ gering. Besonderer Wert wurde auf die Anschaffung von Werken der NS-Ideologie und des „Germanentums“ gelegt.
- Zum Schutze vor Schäden durch Luftangriffe wurden 1942 die wertvollsten Bände in Kisten im Luftschutzkeller eingelagert und im Februar 1945 auf die 430-Meter-Sohle des Salzbergwerks Grasleben bei Helmstedt gebracht.
- 1946 kamen die ausgelagerten Kisten ohne Verluste zurück. Auf der Basis von Listen der Deutschen Bücherei wurde das NS-Schrifttum entfernt – von denselben Personen, die es angeschafft hatten.
- In der Nachkriegszeit florierte die Ausleihe an deutsche und österreichische Offiziere und Soldaten, die – formal kriegsgefangen – sich obschon nördlich des Jade-Ems-Kanals frei bewegen durften.
- 1954 ging die Trägerschaft des Mariengymnasiums von der Stadt Jever auf den Landkreis Friesland über. Das verringerte in der Folge die großen Ausstattungsprobleme der Schule und damit auch der Bibliothek.
- 1961 konnte der unter der Bibliothek gelegene, große Kellerraum als Magazin für den Altbestand akquiriert werden. Zwei kleinere Räume kamen später als Präsenzbibliothek für die Lehrer hinzu. Bibliothek und Bestände wurden an das niedersächsische Fernleihsystem angeschlossen, die Musikalien über das Deutsche Musikgeschichtliche Archiv Kassel und die Handschriftensammlung durch ein gedrucktes Findbuch erschlossen.
- 1997 entstand am Mariengymnasium die Idee, alle Büchersammlungen der Schule – Lehrerbibliothek samt historischen Sammlung, Oberstufenbibliothek, Mittelstufenbibliothek – an einem einzigen Ort zu vereinigen und diesen zum geistigen und lebendigen Treffpunkt der Schule zu entwickeln.
- Im Mai 2000 fand die Einweihung der Gesamtbibliothek auf 420 qm im Hochparterre des Schulgebäudes von 1900 statt. Ort des historischen Bestands ist ein besonders gesicherter Raum. Im Souterrain des Altbaus entstand eine Buchwerkstatt zur hausinternen Aufarbeitung leichterer Einband- und Papierschäden. Wichtiger Unterstützer dieser Vorhaben und vieler weiterer Schritte war der 1998 gegründete Förderverein der Bibliothek.
- 2000 resp. 2003 erschienen – in Kooperation der Landesbibliothek Oldenburg mit dem Schlossmuseum Jever – gedruckte, wissenschaftliche Kataloge der Bestände Remmer von Seediek und Johann Ludwig von Anhalt-Zerbst.
- 2004 wurde die Zweigstelle des Mariengymnasiums in Schortens gegründet, gleichzeitig wurde dort eine Schülerbücherei eingerichtet, die 2006 in einen größeren Raum umzog und mit einer neuen Einrichtung ausgestattet wurde. Bis zur Auflösung der Zweigstelle wurden alle Jugendbücher deshalb doppelt angeschafft. 2014 wurde die Zweigstelle aufgelöst. Teile der Einrichtung und der komplette Buchbestand wurden in die Bücherei der Hauptstelle integriert.
- 2020 kamen Aufarbeitung und Restaurierung der Altbestände weitgehend zum Abschluss. Für die kontinuierliche Buchpflege steht weiterhin eine – nun zusammen mit dem Schlossmuseum – betriebene Buchwerkstatt am Mariengymnasium zur Verfügung.
- Buchausstellungen, sonstige Veranstaltungen und die Öffnung für Schulexterne haben die Bibliothek seit 2000 als Player im regionalen Kulturleben etabliert. Im schulischen Binnenbereich sind ihre Räume und Bestände Bühne und Gegenstand von Unterricht, Projekten und freiem Schulleben. – Ein Bildungsangebot, das durch die Bibliotheksleitung ständig erweitert und neu justiert wird.
Einen detaillierten Aufsatz von Hartmut Peters zur Geschichte der Bibliothek finden Sie im Buch Die Bibliothek des Mariengymnasiums Jever – ein Kosmos für sich (S. 18 – 44).
Bericht aus der Bauphase
Text von Matthias Bollmeyer / Bilder von Hartmut Peters
Für die Einrichtung einer Gesamtbibliothek am Mariengymnasium in Jever wird der Altbauflügel am P. – W. – Janssen – Weg umgebaut. Dabei werden 5 Klassenräume sowie der momentane Kopierraum zu einem großen Bereich zusammengefügt, wobei jedoch abgeschlossene Räume für den Verwalter der Bibliothek und die historische Bibliothek erhalten bleiben sollen. Gleichzeitig werden in anderen Gebäudeteilen des Gymnasiums Räume wieder frei, wie zum Beispiel der Raum, in dem sich im Moment die Oberstufenbibliothek befindet.
Von der Schule und vom P. – W. – Janssen – Weg her sollen Eingänge in ein helles Foyer führen, in dem für den Benutzer auch die neuen Medien integriert sind. Außer diesen Computerarbeitsplätzen entstehen an verschiedenen Stellen in der Bibliothek Arbeits- und Leseplätze, ein Raum wird für Gruppenarbeiten ganzer Klassen und Kurse hergerichtet.
Der Baubeginn soll im Juli 1999 erfolgen, als Eröffnungsdatum für die neue Bibliothek ist das Jahr 2000 geplant, in das der 500. Geburtstag von Fräulein Maria von Jever fällt, sowie das Mariengymnasium 100 Jahre an der Terrasse in Jever beheimatet ist.
Einweihung der neuen Bibliothek
Text und Bilder von Matthias Bollmeyer
Es ist Montag, der 22. Mai 2000, kurz vor 17 Uhr. Die Schulleiterin des Mariengymnasiums Jever, Dorothe Levin, Bibliotheksleiter Hartmut Peters und Enno Schönbohm, Vorsitzender des Fördervereins Bibliothek des Mariengymnasiums e. V. Jever erwarten die ersten Gäste, die heute ausnahmsweise sogar durch den alten Haupteingang die Schule betreten dürfen. Besonderer Anlaß: Mit einem Festakt in der Aula werden die neuen Räumlichkeiten der Gesamtbibliothek der Schule eingeweiht.
Nach fast zwei Jahren Projekt- und Bauzeit sind natürlich viele Jeveraner, ehemalige Schüler und Lehrer gespannt, wie sich das Ergebnis präsentiert.
Unter den Gästen befinden sich außerdem die Bürgermeisterin Margot Lorenzen, Stadtdirektor Ingo Hashagen, Landrätin Karin Evers – Meyer, Oberkreisdirektor Dr. Knippert und sogar der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Weser – Ems, Bernd Theilen, der der Einladung seiner alten Schule gerne gefolgt ist. Außerdem ist der Vorstand des Fördervereins Bibliothek des Mariengymnasiums e. V. Jever anwesend, ferner Angehörige von Handwerksbetrieben, die am Umbau mitgewirkt haben und viele der Personen, die durch eine kleine oder große Spende die Maßnahmen unterstützt haben.
Die Redner und ihre Reden:
Frau Levin (Schulleiterin) bedankt sich im Namen der Schule beim Landkreis Friesland für die gute Zusammenarbeit während der Bauphase und freut sich, daß so viele Gäste zur Einweihung gekommen wären. Die neue Bibliothek werde ein modernes Arbeiten ermöglichen. Außerdem soll auch die Öffentlichkeit davon profitieren: An jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat wird die Bibliothek für die Jeveraner geöffnet sein.
Karin Evers – Meyer (Landrätin Landkreis Friesland) betont in ihrer Ansprache den gleichberechtigten Einsatz alter wie neuer Medien in der Bibliothek. Im Schnittpunkt zweier Blickachsen kämen alte Bücher, neue Bücher sowie modernste EDV – Technik zusammen. So werde den Schülern eine optimale und moderne Arbeitsbasis zur Verfügung gestellt.
Bernd Theilen (Regierungspräsident Weser – Ems) blickt in seinem Grußwort auf seine eigene Schulzeit zurück, als er nur erahnen konnte, was für eine Qualität die Schulbibliothek haben würde. Im Gegendsatz dazu bekämen die heutigen Schüler einen großen modernen Arbeitsbereich, um die Bibliothek sinnvoll nutzen zu können.
Brigitte Roeder (Elternvertreterin) spricht für den Elternrat von einem großen Erfolg für die Schule und die Schüler. Man habe jetzt beste Arbeitsbedingungen geschaffen, von denen alle Schüler profitieren würden.
Michael Basten (Schülervertreter) erklärt, dass für die heutigen Schüler der Umfang der Bibliothek erst während der Phase des Umzugs offensichtlich geworden sei. Viele Schüler hätten tatkräftig dabei geholfen und hofften nun auf gute Arbeitsmöglichkeiten in der Bibliothek.
Enno Schönbohm (Vorsitzender des Fördervereins Bibliothek des Mariengymnasiums e. V. Jever) erzählt, wie er sich seit seiner Schulzeit am Mariengymnasium bis zum Bibliothekar der Schule immer mehr der Bibliothek angenähert hat. Er habe sich dem „Heiligtum“ kontinuierlich entgegenbewegt und denke auch heute noch, daß Bücher ihre Berechtigung gerade in der Schule nicht verloren hätten. EDV sei wichtig, aber der Einsatz von und das Arbeiten mit Büchern sei unerläßlich.
Anschließend findet ein Sektempfang in der neuen Bibliothek statt, eine kleine Ausstellung mit Bildern vom Bauablauf kann besucht werden, und die Gäste besichtigen den Komplex.
Die einhellige Meinung: Die Stadt Jever, aber besonders das Mariengymnasium hat einen neuen Mittelpunkt bekommen. Der Umbau ist gelungen!