Die Lübecker Bibel von 1494 ist das Juwel unter den Buchschätzen des Mariengymnasiums
-ch- Jever. Zu Weihnachten kommt man schwerlich um den Stall von Bethlehem herum. Die Schilderung der Geburtsumstände des Christuskindes findet sich im zweiten Kapitel des Evangelisten Lukas und ist als Weihnachtsgeschichte schon Kindern ein Begriff. Sie ist der Vorlesestoff der Adventszeit schlechthin. Maria und Josef, der Heilige Geist und das Jesuskind, König Herodes, drei Weisen aus dem Morgenland, Engel und Hirten geben „Butter bei die Fische“, wenn es gilt, an die Begründung einer Weltreligion zu erinnern.
Eine der ältesten Überlieferungen der Weihnachtsgeschichte überhaupt befindet sich im Besitz des Mariengymnasiums Jever. Die Lübecker Bibel ist fraglos das Juwel unter den uralten Buchschätzen des Gymnasiums. Am 19. November 1494 wurde das gewichtige Werk „bey Steffen arndes in de Keyserliken stad Lubick“ gedruckt. Sein Inhalt: das Alte und das Neue Testament mit eingefügten Texterläterungen des Bibelgelehrten Nikolaus von Lyra und etlichen, zum Teil prächtig kolorierten Holzschnitten, von denen das aufwendigste Adam und Eva im Paradies zeigt. Allerdings sind nur die ersten Illustrationen zum Alten Testament farbig gestaltet. Die besondere Wirkung der Bibelausgabe schmälert dies nicht.
Die Bibelfassung folgt nicht den hebräischen und griechischen Urtexten, sondern der Vulgata, einer um 400 nach Christi Geburt entstandenen lateinischen Version, die „na deme latine in dudesck averghesettet“ wurde. Weit entfernt vom heutigen Hochdeutsch ist man damals im Einzugsgebiet der Hanse. In der Mitte des 14. Jahrhunderts hatte sich der Städtebund gebildet, dem auch die Stadt Lübeck angehörte. Als Verkehrs- und Rechtssprache im hanseatischen Wirkungskreis entwickelte sich das frühe Niederdeutsch, in dem auch die Lübecker Bibel verfaßt ist.
„Een bod ghink uth na dem keiser augusto“, beginnt die Geschichte von der ersten überlieferten Volkszählung, die den historischen Hintergrund der Geburt Christi liefert. Obwohl im 15. Jahrhundert das Weihnachtsfest nicht seine heutige Bedeutung hatte, fehlt in der Lübecker Bibel als Holzschnitt nicht die bildliche Darstellung der Krippenszene. Im Text heißt es: „Un se gheberde ere erstghebare sone. Unde wat ene in doke. un lex ene in ene kribbe.“ Das Bild zeigt den Stall von Bethlehem mit dem Kind allerdings auf dem nackten Boden zwischen Marie und Josef während die Anbetung der Heiligen drei Könige im Vordergrund deutlich aufwendiger gestaltet ist. Am linken Bildrand arbeitet Lukas selbst an der Heiligen Schrift, flankiert von einem geflügelten Stier. Rechts übergibt Maria das Kind einem Bischof.
Erstaunlich gut sind die Druckseiten der Lübecker Bibel erhalten, als wäre das Werk im Laufe von über 500 Jahren nur zu besonderen Anlässen aufgeschlagen worden. Handschriftliche Randbemerkungen und Eintragungen sucht man vergeblich. Offenbar war schon früheren Generationen der Wert dieses seltenen Buchexemplars bewußt.
(Jeversches Wochenblatt vom 24. Dezember 2000)